Zeig dich!
Christian
Mein Name ist Christian Hillen, ich lebe in NRW, seit gut 18 Jahren HIV+ diagnostiziert. Über die Positivenselbsthilfe POSITHIVHANDELN NRW habe ich nach einer Zeit des Versteckens und auch schlechter Erfahrungen lernen können, wie gut und befreiend es ist, sich auch als positiver Mensch nicht mehr zu verstecken, sondern selbstbewusst und souverän über meinen Virus zu sprechen.
Zusätzlich hat es mich im Bereich meiner Sexualität befreit, denn nach der Diagnose und meiner begonnenen erfolgreichen Therapie konnte und kann ich meine Sexualität angstfrei genießen, das Damokles-Schwert HIV / Aids hat mich 20 Jahre bei sowohl in Partnerschaften alsauch beim Daten gehemmt und eine angstfreie Sexualität unmöglich gemacht. Mit N=N (nicht nachweisbar = nicht übertragbar) ist diese Angst verschwunden und ich kann mein Leben in allen Bereichen aufrecht und entspannt genießen. Das ich in allen anderen Bereichen des Lebens, Arbeit, Hobby, im Alltag eh niemanden infizieren kann, gibt eine großezusätzliche Sicherheit. Als Sprecher der Positivenselbsthilfe in NRW möchte ich diese gewonnene Stärke teilen und für positive Menschen als Beispiel dienen, das es sich lohnt, selbstverständlich positiv zu leben.
Basti
Ich bin Basti, Mitglied im Verbandsorgan der Deutschen Aidshilfe „PositHIVe Gesichter“ und lebe heute selbstverständlich positiv mit HIV. Ein selbstbewusstes und offenes Leben mit HIV war auch bei mir lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. Erst die Reflektion meines eigenen Umgangs mit HIV und der Austausch in der HIV-Selbsthilfe, haben mir Schritt für Schritt das Selbstbewusstsein gegeben, das ich heute mit HIV habe. Dies hatte sehr lange Zeit in meinem Leben gebraucht und ich wünsche mir sehr, dass Menschen mit HIV und dem neuen Podcast „selbstverständlich positiv“ noch schneller dieses tolle Gefühl eines offenen Umgangs mit HIV erlangen.
Sabine
Ich heiße Sabine und bin seit über 30 Jahren positiv. Diskriminierung und Stigmatisierung haben mich seitdem begleitet. Schnell wurde ich zur Aktivistin und verbündete mich mit vielen anderen Aktivist*innen, um dem entgegenzuwirken. Das hat mich gestärkt und ich fühlte mich nicht mehr so alleine. Die Selbststigmatisierung hatte mich allerdings noch über Jahre hinaus fest im Griff. Durch das aufgedrückte Stigma HIV-positiv habe ich mich aus Angst, Scham und Schuldgefühl lange nicht geoutet. Mein erstes Schlüsselerlebnis, dass diese Mauer bröckeln ließ, war das Erlebnis, dass ca. zwei Jahre nach meiner Diagnose, meine Tante und mein Onkel (ältere Leute vom Land) über Verwandte davon erfuhren und sehr entsetzt und verärgert waren. Nicht etwa über mein HIV-positives Testergebnis – was ihnen sehr leid tat -, sondern mehr über die Tatsache, dass ich nicht das Vertrauen zu ihnen hatte, mich zu outen. Dies zu erfahren, hatte mir sehr gutgetan, meinem familiären Verhältnis geholfen und mir ein Stück weit geholfen zu mir selbst zurückzufinden. Ich fing an mich mehr zu öffnen und die Verschleierungslügen zu lassen. So hatte ich immer wieder – mal gute, mal nicht so gute – Erlebnisse, sei es in Beziehungen, im Beruf, oder in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen, die mir geholfen haben natürlicher mit „meinem Virus“ umzugehen. Ich lernte, das HIV ein Teil von mir ist. Aber eben nur das. Es gibt so viele andere spannende Facetten von mir, die mich ausmachen. Mit den Medikamenten und dem Wissen der dadurch verbundenen Nicht-Infektiosität, war für mich meine Mauer der Scham und der Angst komplett heruntergerissen. Ich kann meine Facetten auszuleben, wie ich möchte und wie alle anderen auch. Das macht mich glücklich!
Eine Gesellschaft wird es nicht alleine schaffen, ihre Vorurteile und ihr Schubladendenken abzubauen. Sind sie aber mit der Alltäglichkeit einer HIV-Infektion konfrontiert, indem ich zeige wer ich bin, werden auch die letzten Hürden überwunden sein. Daran glaube ich!
Hildegard
Mein Name ist Hildegard, ich bin 74 Jahre alt und habe mich im Alter von 50 Jahren infiziert.
Damals war ich frisch zum 2. Mal verheiratet und hatte einen Erwachsenen Sohn aus erster Ehe.
10 Jahre habe ich mit diesem Schicksal gehadert und mich in Selbststigmatisierung „eingerichtet „.
Ich war sehr interessiert daran, wie andere Positive ihre Situation meistern und besuchte sehr oft Netzwerktreffen, Fortbildungen und Kongresse. Aber immer mit Ausreden und Lügen gegenüber Familie und Arbeitsstelle verbunden.
Dann fand eine PoBe, mit dem Titel : „Wir sprengen den Rahmen“ in Bielefeld statt.
Bei dieser Veranstaltung passierte Folgendes: Ich schaute in den Spiegel und plötzlich stieg Wut in mir hoch, warum lasse ich Andere stellvertretend für mich eintreten, ich hab doch nichts verbrochen, warum stehe ich nicht zu mir selbst?
Es hatte sich etwas Erschütterndes in mein Leben geschlichen und meinen Selbstwert nachhaltig ausgehebelt. Diese Unzufriedenheit in mir, wollte ich nicht mehr!!
Ich habe Diskriminierung geschehen lassen, meistens im medizinischen Bereich, wo ich es am wenigsten erwartete, denn das sind doch Fachleute, die Bescheid wissen sollten!
Ich entschied, dass ich ab jetzt offen mit HIV leben wollte. Ich erlebte ich eine große Erleichterung. Auch, dass meine Familie zu mir stand, stärkte mich sehr.
Erkenntnisse über Resilienz, Ängste und Achtsamkeit halfen mir, mich weiter zu entwickeln.
Heute erfreue ich mich eines bunten, interessanten und freien Lebens, nicht mehr geknebelt von Schuldgefühlen und Einschränkungen.
Heute kann ich überzeugt akzeptieren und auch erleichtert sagen : HIV gehört selbstverständlich zu mir und das ist gut so!!
Silvia
Mein Name ist Silvia, ich bin 55 Jahre alt, habe zwei erwachsene Söhne und eine kleine Enkeltochter. Seit 17 Jahren lebe ich mit HIV. Lange habe ich versteckt gelebt, weil ich meine Kinder und mich selber schützen wollte. Das hat mir nicht wirklich gut getan!
Der einzige Platz, an dem ich offen über meine Infektion gesprochen habe, war bei der Schülerprävention in der Aidshilfe. Hierher kommen Schüler ab der 8. Klasse und eines schönen Tages sah ich mich einem Fußballkollegen meines jüngeren Sohnes gegenüber. Aus Angst, das mein Sohn diskriminiert werden könnte, habe ich am gleichen Abend mit meinen Söhnen einen Familienrat abgehalten. Dies haben wir immer getan, wenn wichtige Entscheidungen anstanden, die uns alle betrafen.
Das Feedback meiner Söhne war:“ Mama, mach dir keine Sorgen. Die Arbeit, die du da machst ist richtig und wichtig. Wir möchten das du das weiter machst! Wir stehen da voll hinter dir!“
Seit diesem Tag lebe ich selbstverständlich positiv. Ich stehe öffentlich ehrlich zu mir und meiner chronischen Erkrankung.
Nein! HIV ist kein Makel und kein Todesurteil – und vor allem nichts, wofür ich mich schämen muss!
Ich lebe mein Leben! Bin aktiv als Mensch, Frau, Mutter, Oma, Gemeindesekretärin einer internationalen Kirchengemeinde, Karnevalistin und als Aktivistin.
Ja, ich lebe mit HIV – ich bin nicht HIV – ich bin Silvia.
Konstantin
Ich habe schon vor Jahren neben meiner Rente einen Minijob in einer ganz normalen Berliner Kneipe gefunden. Und selbstverständlich bin ich dort auch Stammgast.
Als ich noch zwei Mal am Tag und möglichst pünktlich meine Anti-HIV-Medikamente nehmen musste, habe ich zum Einnehmen der Spät-Pillenration immer statt des abendlichen Biers zwischendurch was Alkoholfreies bestellt. Es dauerte gar nicht lange, dass meine Kolleg*innen ganz unaufgefordert zur üblichen Uhrzeit mir das Getränk hingestellt haben, wenn ich im Laden war. Manchmal passierte es sogar, dass ich so intensiv in Gespräche verwickelt war, dass ich die Pillen-Einnahme vergessen hätte, wenn ich nicht „mein Pillengetränk“ völlig selbstverständlich pünktlich bekommen hätte.
Da ich die Pillen auch ganz offen am Tisch oder am Tresen eingenommen habe, gab es noch den aus meiner Sicht wunderbaren Effekt, dass mich ziemlich regelmäßig Gäste fragten, was ich da schlucken muss. Und meist entsprang daraus ein ausführliches Gespräch über HIV und das Leben damit. Ich denke, heute wissen neben meinen Kolleg*innen auf jeden Fall alle Stammgäst*innen der Kneipe von meiner HIV-Infektion.
Mittlerweile gab es sogar einen Kneipenkollektivbeschluss, neben der Regenbogenfahne an der Eingangstür auch einen genauso großen „Positive Welcome“-Aufkleber anzubringen, wie Ihr auf dem Foto sehen könnt.
Ich heiße Tobias, habe mit 50 ein positives Testergebnis erhalten. Erster Gedanke: Wie konnte das passieren? Selbstvorwürfe. Hatte ich etwa noch Reste aus der Zeit meiner Pubertät mit mir rumgeschleppt, in der Schwulsein noch anders bewertet wurde und gewisse Kreise AIDS als „gerechte“ Strafe Gottes für einen sündigen Lebenswandel bei Drogengebrauchenden, Prostituierten und Schwulen ansahen?
Verstecken wollte ich mich nicht. Entgegen beträchtlicher Befürchtungen war mein zweites Coming out als Positiver zu meiner Überraschung viel leichter: In meinem Umfeld haben alle cool und gelassen reagiert. Alle Ängste und sämtliche Panik überflüssig!
Bitte nicht als „Werbung für HIV“ falsch verstehen, aber statt Einschnitte erwies sich positiv zu sein als Inspiration und Bereicherung: ich führe ein (noch) bewussteres Leben und lerne viele interessante Leute kennen. In meinem Datingprofil habe ich „TasP“ angegeben und sowohl neue Kontakte als auch alte Freunde oder Bekannte haben damit kein Problem – auch Dating mit TasP ist ganz selbstverständlich.
So unkompliziert, wie HIV mittlerweile zu behandeln ist, würden vermutlich auch Millionen von Menschen mit Asthma, Bluthochdruck, Diabetes oder Rheuma ihre Erkrankung lieber mit HIV tauschen. Oder falls mal eine böse Fee zu „Gesunden“ vorbei flöge und keine Wünsche in Aussicht stellen würde, sondern eine Krankheit als „Wahlpflichtentscheidung“ (wie damals in der Schule): Asthma, Bluthochdruck, Diabetes, HIV oder Rheuma. (Egal, warum eine Fee so etwas machen sollte – ob wirklich böse, Migräne, schlechte Laune oder nicht „ausgelastet“ oder so.) Mal ehrlich: es würden sich doch alle für HIV entscheiden. Böse Feen aber gibt es nicht, gute auch nicht. Menschen gibt es natürlich, aber ob sie gut oder böse sind, hängt nicht von Drogengebrauch, Profession oder sexueller Orientierung ab. Ich kann meine Sexualität heute so frei und unbeschwert leben wie noch nie.
Hast du Lust, deine Geschichte mit uns zu teilen? Das würde uns sehr freuen. Und dein Beispiel würde anderen helfen. Schreib deine Geschichte auf. Hast du auch noch ein passendes Foto? Ein Porträtfoto von dir oder ein Bild von etwas, das für deine neu gewonnene Freiheit steht? Schicke es uns mit deinem Text an dominik.djialeu@dah.aidshilfe.de und du wirst bald alles hier auf den Seiten entdecken.